Text : Eva Cott
Wieder einmal war es eine Zielfindung mit dem Würfelbecher: Die Wetterbedingungen für alle drei
Ziele – ostfriesische Inseln, Hooge und dänische Südsee – waren bestens.
Der Würfel kam auf der Insel Als zum Liegen. Kaum lag er dort, stimmte Lars als eingefleischter
Nordseepaddler das hohe Lied der Bedenken an: „Die Eilande werden überlaufen sein mit
paddelnden Horden! Einkaufsmöglichkeiten sind in der Nebensaison schlecht, Proviant also für eine
Woche mitzuführen!! Fehlende Tide wird zur Verwahrlosung führen, da die Tagesstruktur fehlt!!!“.
Die Beweisführung traten wir in Fynshav auf Als an, wo wir von einer beeindruckenden
Gewitterstimmung begrüßt wurden. Die paddelnden Horden mussten kurz vor unserer Ankunft
aufgebrochen sein. Wenn man ganz genau auf die Horizontlinie Richtung Osten nach Fünen blickte,
konnte man sie eventuell noch erkennen.
Eine Seekarte der dänischen Südsee hatten wir nicht dabei. Stattdessen planten wir die Etappen mit
dem Smartphone mit Hilfe der OpenSeaMap über Locus Maps.
Um zu unserem ersten Tagesziel, dem Hafen von Avernakö zu gelangen, betrat ich mit Lyö meine
erste Südseeperle: Steilküste und türkises Wasser on its best!
Auf Avernakö trafen wir eine zweiköpfige Paddlerhorde, die uns auch verriet, dass Mathias Panknin –
auch der Hausmeister der dänischen Südsee genannt- im Gestade gesichtet wurde.
Im Prinzip braucht man in Dänemark kein Bargeld. Havepenge – das Hafengeld – kann überall mit EC-
Karte bezahlt werden. Einmal bezahlt, kann man am Hafen zelten und in der Regel auch duschen und
frisches Wasser zapfen. Auch die Grundversorgung ist nicht so prekär wie zuvor besungen: Kleine
Läden mit einer riesigen Auswahl und normalen Öffnungszeiten sind fast ebenso zahlreich wie Inseln
im Archipel. Nur vor der dänischen Post muss gewarnt werden. Schon manch ein ausländischer
Tourist kaufte euphorisiert Postkarten, um dann über der Endabrechnung zusammenzubrechen:
Umgerechnet 4,40 € pro Karte lässt die Wahl der Kommunikationsmittel noch einmal überdenken.
Mathias wurde von Lars über Email geortet. Ein vager Treffpunkt wurde an der Küste Taasinges
ausgemacht. Nachdem wir uns von Avernakö verabschiedet hatten, schlängelten wir uns über den
kleinen Hafen von Drejö Richtung der Küstenlinie von Taasinge. Damit wir unsere Verabredung nicht
verpassten, fuhr Mathias uns auf dem letzten Abschnitt entgegen.
Erst sah man einen Punkt, dann zeichnete er sich als weiße Silhouette am Horizont ab. Mit starken
Schlägen kam er uns mit seinem weißen Wingpaddel entgegen. Mathias kennt die dänische Südsee
wie seine Westentasche. Er empfahl uns für unsere dritte Übernachtung eine kleine nierenförmige
Insel – Bukö.
Bukö als Ziel für die nächste Nacht steuerten wir mit einem Zwischenhalt auf Strynö an. Hier
begrüßten uns auf dem Hafengelände Leihfahrräder, mit denen man die Insel samt Dorf und
Kaufmann bequem erkunden konnte. Nicht nur dem Gast werden hier allerlei Bequemlichkeiten
geboten, auch junge Familien werden regelrecht angeworben, um die Inseln nicht aussterben zu
lassen.
Das Eiland Bukö nun, das Mathias uns als Übernachtungsplatz beschrieb, besitzt eine Grundfläche
von anderthalb Fußballplätzen, also ausreichend für unser Zweimannzelt. Franzbröd und Bier, später
dann unser allabendliches One-Pot-Gemüse, verspeisten wir auf dem Inselbuckel unter
windgebürsteten Kiefern.
Genug der Stille: Die Städte Marstal und Aerosköbing auf Aerö bieten den Kulturinteressierten einige
Abwechslung. Für den Besuch der Seefahrerstadt Marstal kann die vorherige Lektüre von „Wir
Ertrunkenen“ von Carsten Jensen empfohlen werden.
Die andere Inselmetropole wartet mit Kopfsteinpflaster und bunt getünchten Häusern auf. Hier
befand sich auch der Wendepunkt unserer Reise. Von Aeros Hauptstadt aus paddelten wir in einem
durch bis zur Ostspitze Avernakös.
Den Schlußpunkt unserer Reise setzten wir auf Lyö mit dem Besuch des Klokkesten. Schon die
jungsteinzeitlichen Erbauer dieses kleinen Megalithgrabes schätzten den Weitblick, den dieser
Standortes auf den im Dunst liegenden Küstenstreifen von Als bot. Auf einer Bank neben der über
5000 Jahre alten Grabstätte saß ein hagerer, wettergegerbter Mann. Er entpuppte sich als deutscher
Segler, der uns – nachdem wir uns über das Woher und Wohin ausgetauscht hatten – mit einer
Weisheit beglückte, die in diesem sonnenbeschienen Moment voll ins Schwarze traf: „Auf der
Nordsee überlebt man, auf der Ostsee lebt man!“.
Mit diesem Gedanken verabschiedeten wir uns von Lyö, um dem einsetzenden Gegenwind und der
schwarzen Wolkenwand über Fynshav entgegen zu paddeln.
Die anschließende Urlauswoche überlebten wir dann an und auf der Nordsee mit einer
tidenbedingten Tagesstruktur, Windböen und klammen Fingern, die unabwendbar den Herbst
einleiteten.